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Das Jüdische Zentrum oder das Zentrum zur Geschichtsforschung und Kultur des osteuropäischen Judentums

ist ein Forschungs-, Archiv- und Verlagszentrum, sowie ein Studienzentrum zur Erforschung der Geschichte, Philosophie, Literatur und Kunst des osteuropäischen Judentums. Das Zentrum wurde 2006 gegründet, um akademische Programme zum Judentum auszuarbeiten und einzuführen. Heute führt das Zentrum Projekte zur Forschung und Aufklärung in verschiedenen multidisziplinären Richtungen durch und ist als Verlag, Aussteller und Aufklärer zur jüdischen Kultur und zum jüdischen Erbe tätig. Bei den Projekten legt das Zentrum große Aufmerksamkeit auf das Thema des Holocausts, das bis heute für die Welt, Europa und die Ukraine wichtig bleibt, aber vielfach noch im Dunkeln liegt.
Verlagstätigkeit
Das Jüdische Zentrum veröffentlichte zusammen mit dem Verlag „Duch i Bukwa“ („Geist und Buchstabe“) über 80 Bücher. Darunter sind: „Kultur-Liga: Kunstavantgarde 1910/1920er Jahre“; „Dialoge des Verständnisses: ukrainisch-jüdische Beziehungen“, „Jüdische Zivilisation: Oxford-Lehrbuch zum Judentum“; „Religion des großen Unsinns und ähnlichem: Bruno Schulz und seine Mythologie“, uva.
Veröffentlichungen zum Holocaust
Unter den Veröffentlichungen zum Thema des Holocausts, darunter viele historische, akademische und andere Forschungsarbeiten, sind Übersetzungen ausländischer Bücher von hervorragenden Spezialisten wie J. K. Roth, M. Bärenbaum oder Arendt, sowie Forschungsarbeiten von Spezialisten zum ukrainischen und globalen Judentum, wie Janna Kolba, Wladislaw Grinewitsch und anderen. Diese Veröffentlichung umfassen die Ereignisse und Gebiete zur Zeit des Holocausts: angefangen von Konzentrationslagern auf dem Gebiet Osteuropas, bis hin zur Politik und Beziehung von Juden in der Ukraine und der Analyse der Voraussetzungen für den Zweiten Weltkrieg, aber auch die Folgen der Schoa für die heutige Welt.
Unter diesen Veröffentlichungen sind besonders hervorzuheben: „Schoa in der Ukraine: Geschichte, Zeugnisse und Verewigung“ in der Edition von Reja Brandona und Wendi Lauer. Dieses Buch basiert auf Archivquellen der ehemaligen Sowjetunion, die bekannte Holocaustforscher in verschiedenen Ländern untersuchten. Darunter sind: Andrej Angrik (Detuschland), Omer Bartow (USA), Karel Berghof (Niederlande), Ray Brandon (Deutschland), Martin Din (USA), Dennis Deletant (Großbritannien), Frank Goltschenski (Deutschland), Alexander Kruglow (Ukraine), Wendi Lauer (USA), Dieter Potsch (Deutschland) und Timothy Snyder (USA).
Eine wichtige Veröffentlichung ist „Am Rand des Verständnisses. Philosophen und Theologen über den Holocaust“ in der Edition von J. K. Roth und M. Bärenbaum. Die englische Fassung dieses Buchs wurde dank der Bemühungen von zwei führenden Philosophen und Holocaustforschern umgesetzt: dem „Christen aus Clairmont“ John K. Roth und dem „Juden aus Washington“, Michael Bärenbaum. Im Vorwort schreiben sie: „Unser Plan war, auf Werke aufmerksam zu machen, die Holocaustforscher mehrfach zitierten.“ Und so bezeugen über zwei Dutzend bekannter jüdischer und christlicher Philosophen, Denker und Literaten, die die unmenschliche Wirklichkeit der faschistischen Konzentrationslager und Gettos erlitten, den Holocaust als unheilvollen Versuch, das europäische Judentum zwischen 1939 und 1945 durch die Nazis zu vernichten. Das Buch fasst das Elend und den Schmerz zusammen, der einem Teil des jüdischen Volks im „zivilisierten 20. Jahrhundert“ angetan wurde. Das Buch enthält eine Anlage mit Antworten von bekannten ukrainischen, russischen und israelischen Intellektuellen auf einen Fragebogen von dem Experten L. Finberg zu Babyn Jar.
Außerdem veröffentlicht das Zentrum persönliche Geschichten, Erinnerungen und Zeugnisse über die Ereignisse des Holocausts als Interviews oder direkte Gespräche des Autors. Diese Publikationen sind Ergebnis der Forschungsarbeiten des Zentrums, die das Ziel hatten, das Wissen über die Schoa durch das Prisma persönlicher Erfahrungen zu vertiefen (die Zeugnisse wurden von Boris Sabarko aufgezeichnet). Unter den Veröffentlichungen sind auch prosaische und poetische Texte, wie die Gedichtsbände von Maryanna Kiyanowska, die sie den Toten von Babyn Jar widmete. Diese Veröffentlichungen zeigen die verschiedenen Herangehensweisen zum Verständnis der Schoa und zur Traumaarbeit. Sie beleuchten die Bedeutung des Holocausts und die Aktualität des Themas aus Sicht der Geschichte und Kultur.
Forschungsprojekte und Archivtätigkeit
Das Jüdische Zentrum trat bei mehreren Forschungsprojekten zur Geschichte des Holocausts als Initiator und Partner auf. Das Zentrum führte auch eigene Projekte durch, mit denen das Thema bekannter gemacht werden sollte.
Ich bin der Wächter meines Bruders. Projektleiter: S. Kowba und A. Wasiltschenko
Das Projekt zielte darauf ab, Geschichten von Menschen zu finden und zu untersuchen, die in der Zeit des Holocaust versuchten, Juden zu retten, die im Gebiet der Ukraine lebten. Im Unterschied zu vergleichbaren Projekten, zielte dieses Projekt auf das Schicksal solcher Menschen ab, die von den Nazis während ihrer Rettungsversuche hingerichtet wurden. Die Namen dieser Menschen stehen auf keiner Liste über die Gerechten der Völker der Welt und bleiben wenig bekannt. Eine wesentliche Voraussetzung der Forschung sind direkte Zeugnisse der Geretteten, wobei die Geretteten oftmals mit ihren Rettern ums Leben kamen.
Das Projekt umfasste die Arbeit mit Archiven und dem Sammeln von mündlichen Geschichten. Die Ergebnisse dieser Forschung wurden in gedruckter Form, Vorträgen auf Konferenzen und Präsentationen in Medien veröffentlicht.
Die Rettung jüdischer Kinder in den Studijsky Klöstern: J. Jakowenko
Eine der menschlichsten, aber weniger bekannten Geschichten des Holocausts in der Ukraine ist die Rettung jüdischer Kinder in den Studijski Klöstern. Nach verschiedenen Angaben wurden dort zwischen 100 und 200 Kinder gerettet. Diese Geschichte ist deshalb einzigartig, weil jene, die ihr Leben für die Rettung von „Feinden“ (Kommunisten, Juden, Zigeuner) riskierten, verfolgt und streng bestraft wurden; dabei nicht nur die Retter selbst, sondern auch deren Familien.
Das Projekt umfasste die Suche, das Sammeln, Aufzeichnen und Beschreiben aller Erinnerungen an die Retter, die in verschiedenen Sprachen zu finden waren (ukrainisch, polnisch, hebräisch, jiddisch), insbesondere unveröffentlichte Geschichten. Das Zentrum setzte sich zum Ziel, Aussagen (mündliche Geschichten) der geretteten Kinder zu finden und aufzuzeichnen, sowie von Zeugen dieser Ereignisse oder deren Kindern, denen man davon erzählte. Nachträglich wurde ein Archiv erstellt, das Materialien enthält, das in der Sammlung des Zentrums gefunden wurde, sowie in den Beständen der Ukrainischen Katholischen Universität, in den Sammlungen des Museums Yad Vashem, dem Amerikanischen Memorialmuseum zum Holocaust, den Beständen der Schao-Universität, den Erinnerungen von Kurt Lewin und Leon Heimedes (Interview von 1999), Schimon Redlich („Ukrainer und Juden“) und Adam Rotfeld.
(„Gerechte unter uns“). Außer Erinnerungen, die identifiziert und zur Veröffentlichung vorbereitet wurden, enthält das Archiv auch Fotos und Dokumente.
Archivtätigkeit
Das Zentrum beschäftigt sich mit der Sammlung, Erforschung und Aufbewahrung des Archivs zur jüdischen Geschichte und Kultur. Heute enthält das Archiv des Zentrums über 100.000 Dokumente: ein Schriftsteller- und Kunstarchiv, eine Kollektion an Postkarten, Plakate jüdischer Parteien und Bewegungen, ein Filmarchiv, Theater- und Filmanschläge, gedruckte Schreibmaschinenblätter bekannter Schriftsteller und Übersetzungen usw. Zum Thema Holocaust sammelt das Zentrum und bearbeitet dieses Archive, sowie Familiensammlungen an Briefen, Postkarten und Fotos getrennt.
Das Briefarchiv zum Thema „Zweiter Weltkrieg“ umfasst die Ereignisse der Zeit des Holocausts und die Lebensrealität an der Front. Derzeit sind in dieser Sammlung über 2.500 Briefe, aber das Sammeln dauert an.
Im Rahmen eigener Projekte, sowie bei der Zusammenarbeit mit Partnern, sammelt, bewahrt und bearbeitet das Jüdische Zentrum persönliche Erinnerungen an die Ereignisse des Holocausts als Audio- und Videoaufzeichnungen, sowie als schriftliche Interviews, Fotos usw. Das Archiv ist Forschern der jüdischen Geschichte und der Schoa zugänglich, sowie anderen Interessierten.
Konferenzen und Seminare
Das Jüdische Zentrum tritt als Organisator von Themenkonferenzen, Seminaren und Vorlesungen auf (zum Beispiel: „Metropolit Andrej Scheptizki und die jüdischen Gemeinden in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der Zweite Weltkrieg und das Schicksal der Zivilbevölkerung in Osteuropa“; die internationale Wissenschaftskonferenz gemeinsam mit dem Kultusministerium der Ukraine, sowie der Nationalen Universität „Kiewer Mohyla Akademie“, dem Zentrum für Europäische Humanitärforschung, dem WAAD der Ukraine und dem Polnischen Institut in Kiew). Außerdem nehmen die Spezialisten des Zentrums immer wieder an ausländischen und gesamtukrainischen Konferenzen und Seminaren teil.
Ausstellungstätigkeit
Das Jüdische Zentrum tritt als Organisator und Co-Organisator von Kunstausstellungen auf, die sich der jüdischen Kultur und Geschichte widmen. Außerdem bietet es auch eigene Werke zur Nutzung bei Partnerprojekten an. Bisher setzte das Zentrum zwei Ausstellungsprojekte zum Thema „Holocaust“ um.
Die Ausstellung „Gedenken an Babyn Jar“ fand im Herbst 2011 im Kiewer Museum statt. Kuratoren war die Mitarbeiterin des Kiewer Geschichtsmuseums, Tatjana Jewstafewa, und der Direktor des Zentrums zur Geschichtsforschung und Kultur des osteuropäischen Judentums, Leonid Finberg.
Durch die Ausstellung sollte gezeigt werden, wie die Gesellschaft die Tragödie von Babyn Jar in Erinnerung behält. Außerdem sollte die Beziehung des Staats und der Gesellschaft gegenüber dem Andenken an Babyn Jar im Kontext der ukrainischen Geschichte ab den 1940er bis in die 1990er Jahre beleuchtet werden. Bei der Ausstellung wurden die ersten Skizzenentwürfe eines Denkmals für die Tragödie von Babyn Jar des Architekten A. Wlosow und des Bildhauers I. Kruglow vorgestellt, sowie die Skizzenentwürfe für das Denkmal mit dem Namen „Wenn die Welt zusammenfällt“ des Bildhauers A. Rybatschuk und des Architekten W. Melnitschenko unter. Ein weiterer Entwurf war der des Architekten und Künstlers Boris Lekar. Am 29. September 1966 fand eine nichtgenehmigte Kundgebung zum Gedenken der Opfer von Babyn Jar statt, an der sowohl Aktivisten der jüdischen Bewegung teilnahmen, aber auch die Schriftsteller Viktor Nekrasow, Iwan Dzjuba und Boris Antonenko-Dawidowitsch. Es wurden einzigartige Fotografien dieser Kundgebung ausgestellt, die Mitarbeiter von „UkrKinoChronik“ machten (der Operator Eduard Timlin und der Regisseur Rafail Nachmanowitsch). Die Fotos zeigten eine Kranzniederlegung bei Gräbern von Fremden und Verwandten (solche Kranzniederlegungen wurden seit der zweiten Hälfte der 1960er von jüdischen und nichtjüdischen Aktivisten im ganzen Land organisiert, um an die Toten von Babyn Jar zu erinnern). Außerdem wurden erstmals Dokumente aus den Archiven des Ukrainischen Sicherheitsdiensts gezeigt, sowie aus den Staatsarchiven im Gebiet von Kiew, wie der Staat auf diese Ereignisse reagierte. An der Ausstellung wurden zudem Bücher und Dokumente vorgestellt, die die Stimmung außerhalb des politischen Macht beleuchteten.
Die Ausstellung „Holocaust in einer Kugel: Massenerschießungen von Juden in der Ukraine von 1941-1944“ wurde im Ukrainischen Haus im Herbst 2011 vorgestellt. Die Exposition, die dem Gedenken an die Opfer von Babyn Jar gewidmet war, wurde mit Unterstützung des Jüdischen Zentrums durchgeführt, sowie mit Hilfe der Stiftung von Viktor Pintschuk und der Organisation „Yahad – In Unum“. Bis zu dieser Ausstellung wurde sie von der Holocaustgedenkstätte vorbereitet (Archive, Museen, Ausbildungszentren und Gedenkorte), die bereits in Paris, New York und erstmals in der Ukraine gezeigt wurde. Für die Präsentation in der Ukraine wurde das Projekt von führenden ukrainischen Experten angepasst. Das Projekt „Holocaust in einer Kugel“ basiert auf der Arbeit des römisch-katholischen Priesters aus Frankreich, Vater Patrik Debua, der sich viele Jahre mit Archiv- und Archäologischer Forschung beschäftigte, sowie mit Videodokumenten von Augenzeugen der Massenerschießungen in der Ukraine. Die Exposition enthielt Informationen über historische Fakten, sowie Videointerviews, Dokumente aus der Zeit des Kriegs, Fotos von entdeckten Massengräbern und Gegenständen, die jene Ereignisse bestätigten, wie Kugeln, Hülsen und ähnliches.
Bibliothek
Die Bibliothek des Zentrums umfasst zirka 12.000 Bücher in Hebräisch, jiddisch, russisch, ukrainisch, englisch, deutsch, polnisch und anderen Sprachen. Die Sammlung des Zentrums enthält historische, wissenschaftliche und publizistische Arbeiten und Kunstbände aus der ganzen Welt, die die jüdische Geschichte, und insbesondere das Thema des Holocaust betreffen. Alle Bücher sind für die Arbeit von Studenten, Forschern und sonstigen Interessierten zugänglich.